Warum sollte Silicagel regeneriert werden?
Silicagel ist ein Trockenmittel und hat die Aufgabe, Feuchtigkeit aus seiner direkten Umgebung aufzunehmen und diese zu trocknen. Die Feuchtigkeit wird dabei in den Poren der Trockenperlen aufgenommen (adsorbiert). Ab einem gewissen Zeitpunkt kann das Silicagel kein weiteres Wasser mehr aufnehmen, weil es bereits vollständig gesättigt ist. Um die Lebensdauer des Materials zu verlängern, kann statt eines vollständigen Austauschs das vorhandene gesättigte Material nun regeneriert und im Anschluss nachhaltig weiterverwendet werden.
Warum ist Regeneration möglich?
Silicagel, auch bekannt als Kieselsäure, besteht aus Siliziumdioxid (SiO₂) und besitzt an seiner Oberfläche unzählige einzelne Poren. Wassermoleküle können in diese Poren eindringen und dort dank Wasserstoffbrücken und van-der-Waals-Kräften fest andocken. Der gesamte Prozess der Adsorption ist also ein rein physikalischer Vorgang und es werden keine festen chemischen Bindungen eingegangen. Daher lässt sich die physikalische Reaktion auch wieder umkehren und das Wasser durch Energiezufuhr (meist in Form von Wärme) wieder aus den Poren lösen (Desorption). Dieser Lösungsprozess wird allgemein als Regeneration bezeichnet und sorgt dafür, dass das Silicagel im Anschluss wieder neues Wasser an sich binden kann.
Wann muss regeneriert werden?
Alle Trockenmittel haben eine fest definierte Adsorptionskapazität, die beschreibt, wie viel Wasser das Material maximal aufnehmen kann (z.B. 35% bei unserem Silicagel). Diese hängt von mehreren Faktoren, wie z.B. den spezifischen Materialeigenschaften ab, aber auch von Umgebungstemperatur und relativer Luftfeuchte. Ist diese Grenze erreicht, sind die Trockenperlen gesättigt und können keine weiter Feuchtigkeit mehr adsorbieren und müssen ausgetauscht oder regeneriert werden.
Um den aktuellen Sättigungsstand des Silicagels zu messen gibt es verschiedene Methoden. Die Einfachste ist ein im Granulat enthaltener Farbindikator, der bereits in der Produktion eingearbeitet wird. Sobald der Feuchtigkeitsgehalt in den Perlen steigt, verändert sich deren Farbe und signalisiert klar, dass das Zyklusende erreicht wurde. Wenn kein Farbindikator enthalten ist, wird der Sättigungsstand in der Regel mit folgenden Methoden kontrolliert:
- Feuchtigkeitsmessung: Angebrachte Sensoren messen eine ansteigende Restfeuchte, die den Austauschzeitpunkt signalisiert.
- Gewichtsänderung: Der Sättigungsstand wird rechnerisch durch das Wiegen des Trockenmittels ermittelt.
- Druckabfallmessung: In manchen Fällen ist ein Abfallen des Drucks im System ein Indiz auf gesättigtes Silicagel
- Zeit/Betriebszyklussteuerung: Die Trockenmittel-Füllung wird basierend auf Erfahrungswerten und zu erwartender Feuchtigkeitsbelastung zyklisch ausgetauscht.
Thermische Regeneration
Die einfachste Methode zur Regeneration ist die thermische Regeneration, die sich die zuvor erklärten physikalischen Wechselwirkungen zu Nutze macht. Die Adsorption von Wasser ist ein exothermer Prozess - es wird dabei also Energie in Form von Wärme abgegeben. Um den Vorgang nun umzukehren und das Wasser wieder zu lösen, muss im Umkehrschluss die abgegebene Energie wieder zugeführt werden. Das passiert bei einer Temperatur von 120-140°C. Temperaturen darunter reichen nicht aus, um den physikalischen Prozess der Desorption zu aktivieren, während deutlich höhere Temperaturen das Material schädigen können - insbesondere wenn Farbindikatoren in den Trockenperlen zum Einsatz kommen.
Produkt | Regenerationstemperatur |
Silicagel mit Farbindikator | 120°C |
Silicagel ohne Farbindikator | 140°C |
Für kleinere Mengen kann ein gewöhnlicher Umluftofen zur Regeneration genutzt werden. Bei größeren Mengen sollte auf eine gezielte Heißluftdurchströmung gesetzt werden, bei der trockene, heiße Luft durch einen Behälter oder ein Bett mit Silicagel geleitet wird. Dadurch wird eine gleichmäßige und kontinuierliche Erwärmung des Silicagel-Granulats erreicht.
Die empfohlene Dauer der Regeneration liegt im Bereich von 1-5 Stunden, hängt aber von mehreren Faktoren ab: Je gesättigter (feuchter) das Material ist, umso länger dauert es, die Feuchtigkeit vollständig auszutreiben. Zudem sollten die Trockenperlen im Optimalfall breitflächig ausgebreitet werden, um für möglichst viel Luftkontakt zu sorgen. Wenn das Granulat übermäßig aufgeschüttet wird, verlängert sich der Regenerationsprozess spürbar.
Wie sie erkennen können, ob Ihre Regeneration erfolgreich war, erfahren sie unter dem Punkt Qualitätskontrolle.
Druckminderungs-Verfahren
Bei diesem Verfahren wird eine leichte Erwärmung des Materials (thermische Regeneration) mit einer gezielten Absenkung des Partialdrucks in der direkten Umgebung des Silicagel kombiniert. Diese Absenkung führt dazu, dass der Siedepunkt des Wassers gesenkt wird und das in den Poren angelagerte Wasser schon bei niedrigeren Temperaturen verdampfen kann. Durch weniger Druck in der Umgebung muss das Wasser quasi weniger eigenen Druck aufbauen und kann schneller aus den Poren der Trockenperlen verdampfen.
Für diesen Prozess werden zusätzliche technische Anlagen wie z.B. Vakuumkammern, Druckbehälter oder auch Heizsysteme benötigt, was ihn aufwendiger als eine reine thermische Regeneration macht. Dafür wird die Lebensdauer des Silicagel verlängert, das es durch die geringere Temperatur geschont wird. Ebenfalls wird das Material schneller und effizienter getrocknet und erfordert weniger Hitze, was in weniger Energiekosten resultiert.
Inertgas Spülung
Die Spülung mit Inertgas ist eine spezielle Art der thermischen Regeneration. Hier wird das Kieselsäure-Granulat zusätzlich zur heißen Luft mit bestimmten Gasen durchströmt. Ein reine Temperaturerhöhung kann manchmal nicht ausreichend für eine vollständige Regeneration sein. Sie kann die Wasserdampfmoleküle zwar aus den Silicagel-Poren lösen, es besteht aber die Gefahr der Resorption. Damit ist gemeint, dass sich der gelöste Wasserdampf immer noch in der Umgebung des Silicagel befindet und von dort aus direkt wieder adsorbiert wird.
Der Einsatz von Inertgas soll genau das verhindern. Das Gas wird durch das Silcagel durchgeleitet, transportiert das freigewordene Wasser in der Luft effektiv ab und senkt zusätzlich den Partialdruck in der Umgebung, wodurch auch tief in den Poren sitzende Wassermoleküle gelöst werden.
Verwendet wird dafür meist Stickstoff oder Argon, da die beiden Gase chemisch inert sind und nicht mit Silicagel oder anderen Substanzen reagieren. Für sensible Prozesse wie z.B. in der Pharmazie ist das besonders wichtig, da hier Verunreinigungen tunlichst vermieden werden müssen.
Einflussfaktoren
Der wichtigste Faktor, der sich auf die Regeneration von Silicagel auswirkt ist die gewählte Temperatur. Zu niedrig (<120°C) und die Desorption ist unvollständig und das Wasser verbleibt in den Poren der Trockenperlen. Zu hoch (>150°C) und die Poren und Struktur können beschädigt werden, aber auch die Adsorptionskapazität kann irreversibel verringert werden. Auch ein zu schnelles starkes Erhitzen kann das Silicagel in einen Schockzustand versetzen und zu Rissbildung im Material führen.
Ein weiterer Faktor ist eine gute Belüftung und/oder die Zuhilfenahme von Gasen zur Durchspülung. Je besser das Granulat belüftet ist, umso einfacher kann das angelagerte Wasser aus den Poren an der Oberfläche austreten, da sich die Hitze gleichmäßiger verteilt und die Feuchtigkeit schnell verfliegen kann. Dünne Materialschichten und gut belüftete Silicagel-Betten beschleunigen den gesamten Regenerationsprozess erheblich.
Eine Verunreinigung oder eine Kontamination mit Fremdstoffen sollte tunlichst vermieden werden. Staub, Öl, chemische oder organische Rückstände können die Poren verstopfen oder beim Erhitzen während dem Regenerationsvorgang sogar verkohlen und Schäden nach sich ziehen.
Auch die Körnung des Granulats macht einen Unterschied. Bei feinen Körnungen (z.B. 1,6-2,5mm) kann das Wasser schneller aus den Poren austreten, wodurch der gesamte Prozess gegenüber groben Körnungen (z.B. 3,0-5,0mm) beschleunigt wird.
Zuletzt ist auch wie schon erwähnt der Sättigungszustand des Silicagel ein maßgeblicher Einflussfaktor. Je mehr Feuchtigkeit schon aufgenommen und in den Poren gespeichert wurde, umso länger wird die Regeneration bis zu vollständigen Entleerung dauern.
Anwendungshilfe
Wahl der richtigen Temperatur ist entscheidend für die Regeneration
Dünne Schichten Silicagel trocknen besser als als dicke Schüttungen
Ein Inertgas Durchsatz beschleunigt die Abfuhr von Wasserdampf
Eine Absenkung des Drucks, hilft dabei Wasser bei niedrigeren Temperaturen aus den Poren zu lösen
Silicagel sollte vor der Regeneration auf Verunreinigungen und Schäden überprüft werden.
Kleinere Körnungen trocknen schneller als grobe Körnungen.
Welches Verfahren wann geeignet ist:
Verfahren | Thermische Regeneration | Druckminderungs-Verfahren | Inertgas Spülung |
Eigenschaften | Einfach und robust | schonend, niedrige Temperatur, energieeffizient | chemische Inertheit, effiziente Wasserabfuhr, niedrige Temperatur |
Einsatzgebiet | Standard-Drucklufttrocknung, Labore, Industrie, kleine Mengen | Biogas, Gasaufbereitung, stark gesättigtes Silicagel | Pharma, Chemie, Labore, empfindliche Anwendungen |
Benötigte Anlagen | Heizystem, Behälter, Luftzirkulierung, Dampfabfuhr | Vakuumkammer/Druckbehälter, Heizsystem, Gasführung, Feuchteabfuhr | Behälter, Heizsystem, Gasversorgung, Gasführung, Feuchteabfuhr |
Wie oft kann regeneriert werden?
Wenn die Regeneration des Silicagel unter den empfohlenen Bedingungen durchgeführt wird, kann in der Regel von mehreren hundert Regenerationszyklen ausgegangen werden, bevor das Material vollständig ausgetauscht werden sollte. Die Lebensdauer ist dabei stark abhängig von diversen Einsatzbedingungen im Betrieb: Temperatur, Druck, Gasführung, mechanische Belastung etc. Auch, wenn Silicagel ein beständiges Material ist, treten mit der Zeit auf den einen oder anderen Weg unweigerlich Beschädigungen an den Poren auf, die sich negativ auf die maximale Adsorptionskapazität der Trockenperlen auswirken.
In einem eigenen Testversuch konnte bei einem engporigen weißen Silicagel nach 500 Regenerationszyklen ein Verlust von 700g/m² auf 340g/m² festgestellt werden. Die reine Adsorptionswirkung ist dabei nach wie vor beständig, alleine die maximal aufnehmbare Wassermenge ist gesunken. Über die 500 Zyklen hinaus konnte jedoch keine weitere signifikante Verschlechterung mehr festgestellt werden und die Adsorptionskapazität blieb nach ihrem initialen Rückgang konstant.
Erfolgreich regeneriert oder nicht?
Ob ein Regenerationsvorgang erfolgreich war und die Feuchtigkeit vollständig ausgetrieben wurde, kann im Nachhinein ganz klar festgestellt werden.
Restfeuchte Messung
Durch ein genaues Wiegen der Silicagel Schüttung kann sich zeigen, ob das Material vollständig trocken ist oder nicht. Dafür muss die Probe einmal vor und einmal nach dem Regenerationsprozess genau gewogen werden. Der Gewichtsverlust spiegelt dabei die Menge des abgegebenen Wassers wider.
Taupunktmessung
Nach der Regeneration wird ein trockener Gasstrom durch die Adsorber Füllung geleitet und der Taupunkt des Gases wird am Auslass gemessen. Wenn das Gas den geforderten Taupunkt erreicht hat, konnte das Silicagel erfolgreich regeneriert werden. Wird der Taupunkt nicht erreicht und bleibt noch zu hoch, enthält das Silicagel nach wie vor zu viel Feuchtigkeit.
Indikator-Silicagel
Wenn es sich um ein Silicagel mit Farbindikator handelt, kann der Sättigungsstand ganz einfach direkt visuelle abgelesen werden. Nach einer erfolgreichen Regeneration müssen alle Trockenperlen wieder ihre Ursprungsfarbe erreicht haben.
Vergleich mit Sollwerten
Viele Anlagen setzten auf feste Zyklenzeiten, wodurch im zeitlichen Verlauf klare standardisierte Referenzwerte gesammelt werden konnten. Nach einem gewöhnlichen Regenerationsvorgang ist demnach klar, wie hoch die Standzeit im nächsten Zyklus sein muss, wenn das Silicagel vollständig trocken ist. Wenn die Standzeit nicht erreicht werden kann, lässt dies auf eine ineffektive Regeneration schliessen.
Zusammenfassung
Die Regeneration von Silicagel ist ein effizienter und nachhaltiger Weg, um die Lebensdauer des Trockenmittels deutlich zu verlängern. Anstatt gesättigtes Silicagel komplett auszutauschen, kann es durch kontrollierte Verfahren wie thermische Regeneration, Druckminderung oder Inertgas-Spülung mehrfach wiederverwendet werden – oft über Hunderte von Zyklen hinweg. Das reduziert Betriebskosten, Abfall und Energieeinsatz und stellt gleichzeitig sicher, dass die Adsorptionsleistung dauerhaft auf einem hohen Niveau bleibt.
Technisch betrachtet macht die Regeneration Sinn, da es sich bei der Wasseraufnahme von Silicagel um einen rein physikalischen Prozess handelt. Die Feuchtigkeit wird lediglich in den Poren angelagert und lässt sich durch Wärme, Druckabsenkung oder Gasdurchströmung wieder lösen. So kann das Material seine Funktion immer wieder zuverlässig erfüllen.